Die Immobilienwirtschaft hat einen großen ökologischen Fußabdruck, denn der Ressourcen- und Energieverbrauch für das Bauen ist hoch. Der Geschäftsführer von BPD Franz-Josef Lickteig, was sich in der Branche ändern sollte und zeigt die Ambitionen von BPD auf.
  • Datum der Veröffentlichung: 23 März 2021

Kreislaufökonomie: der Schlüssel einer nachhaltigen Immobilienwirtschaft

Die Immobilienwirtschaft ist eine ressourcenintensive Industrie. „Bisher versteht die Branche unter Nachhaltigkeit vor allem die Energieeffizienz von Gebäuden im Betrieb: Um nachhaltiger zu werden, brauchen wir jedoch einen ganzheitlichen Blick“, meint Franz-Josef Lickteig. Die Produktion und das Recycling von Baustoffen finden beispielsweise in der aktuellen Diskussion über Nachhaltigkeit kaum Beachtung. Gerade hier werden besonders viel Energie und Rohstoffe eingesetzt. Nehmen Sie zum Beispiel den meist genutzten Baustoff: Stahlbeton. Dieser ist einfach herzustellen und dementsprechend billig, aber auch schlecht für die Umwelt. Lickteig weiter: „Wenn die Immobilienwirtschaft nachhaltiger werden will, kommen wir an einer Kreislaufökonomie nicht vorbei.“ Wir müssen vor Baubeginn über die Herkunft und künftige Verwendung unserer Baustoffe nachdenken. Nur so sind wir in der Lage, den ökologischen Fußabdruck der Immobilienwirtschaft zu verringern. Darüber hinaus bieten Immobilien weitere Anknüpfungspunkte, zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen. Diesen Punkten sollten wir ebenfalls Aufmerksamkeit schenken.

Immobilien brauchen einen Ausweis

Die Basis einer effektiven Kreislaufökonomie bildet eine eindeutige Erfassung der in einem Gebäude verwendeten Materialien und ihrer Ökobilanz.

Die Basis einer effektiven Kreislaufökonomie bildet eine eindeutige Erfassung der in einem Gebäude verwendeten Materialien und ihrer Ökobilanz. Anders gesagt: „Immobilien brauchen einen Ausweis, der über den aktuellen Energiepass hinausgeht“, denkt Lickteig. „Möglich wäre es, die Schlüsselstellen für mehr Nachhaltigkeit mit zu  erfassen. Ein Dreiklang aus Bau-, Energie- und Mobilitätsausweis zwingt dazu, ganzheitlicher zu denken.“ Im  Bauausweis sollte die Herstellung einer Immobilie dokumentiert werden. Dies hilft auch später beim Rückbau eines Gebäudes, um zu sehen, wie recyclingfähig dessen Baustoffe sind. Der Energieausweis soll nach wie vor den Energieverbrauch aufzeigen. Der Mobilitätsausweis soll eine Aussage treffen, wie gut ein Gebäude in nachhaltige Mobilitätslösungen eingebunden ist. Besteht also Anschluss an den ÖPNV? Gibt es ein Carsharingangebot? Die Möglichkeiten sind vielfältig.

Franz Josef Lickteig Nachhaltig Interview BPD Dossier

Im Kleinen fängt Nachhaltigkeit an

„Die vergleichsweise einfachen und kleinen Dinge, machen in der Summe einen großen Unterschied“, meint Lickteig.

Was wir bereits im Bereich der Konsumgüter kennen, lässt sich teilweise auch auf Immobilien übertragen: Fangen wir also an, beim Neubau die Lieferkette zu hinterfragen und setzen vermehrt auf regionale Kreisläufe! „Kurze Transportwege verbessern die Umweltbilanz von Immobilien bereits bei der Herstellung. Gleichzeitig wird die regionale Wertschöpfung gestärkt – ein wichtiger sozialer Aspekt“, betont der BPD Geschäftsführer. Doch für ihn beginne Nachhaltigkeit noch eine Stufe vorher. „Die Art und Weise, wie wir Immobilien konzipieren, beeinflusst deren ökologische Wertigkeit. Ausgleichsflächen bei höherer Verdichtung und grüne Vorgärten steigern die Aufenthaltsqualität. Geben wir Grünflächen mehr Raum, so steigern wir auch bis zu einem gewissen Maß die Biodiversität in Ballungsräumen. Dafür brauchen wir nicht immer durchgestaltete Parks. Es dürfen auch mal von oder mit Bewohnern gestaltete Stadt- oder Dachgärten sein.“ Nicht nur Grün in der Stadt, sondern auch die Architektur selbst ist ein wichtiger Faktor für die Nachhaltigkeit von Immobilien. Architektur prägt unsere Wahrnehmung von Stadt für Generationen. „Gute Architektur bleibt und wird modernisiert – und das ist ebenfalls ein Mittel, um Ressourcen zu schonen“, sagt Lickteig. „Mit dem Dreiklang aus Ökologie, städtebaulicher Intelligenz und gelungener Architektur schaffen wir es, zu einem positiven und nachhaltigen Stadtbild beizutragen.“

Wer grüne und warme Immobilien will, braucht Wasserstoff

Wichtige Grundvoraussetzung für einen CO2-neutralen Gebäudesektor ist eine funktionierende Wasserstoffökonomie.

Wichtige Grundvoraussetzung für einen CO2-neutralen Gebäudesektor ist eine funktionierende Wasserstoffökonomie. Während Wind und Sonne vor allem in der Stromgewinnung eine Rolle spielen, ist Wasserstoff aus klimafreundlicher Produktion ein zentraler Baustein für eine sichere, grundlastfähige Wärme und Stromversorgung. Er gibt uns die Möglichkeit, Energie dezentral zu speichern und über Blockheizkraftwerke Synergieeffekte für ganze Wohnquartiere zu generieren. „Die Immobilien- und Wasserstoffwirtschaft sind natürliche Partner, und der Gesetzgeber wäre gute beraten, entsprechende Partnerschaften zu fördern“, wünscht sich Lickteig.

Franz Josef Lickteig Nachhaltig Interview BPD Dossier Wasserstoff

Ökologie und Bezahlbarkeit: ein schwer zu lösender Gegensatz

Nur gemeinsam können geeignete Lösungen gefunden werden, um diese beiden großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.

Oft wird der Eindruck erweckt, nachhaltiges Wirtschaften sei eher eine Einstellungssache. „Nachhaltigkeit ist zweifelsohne das Gebot der Stunde, hat aber auch seinen Preis“, erläutert Lickteig. Steigende Anforderungen in den Bereichen Ökologie und Städtebau treiben die Baukosten in die Höhe. Wenn wir den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes einbeziehen, trifft das umso mehr zu. Die Baukosten werden deshalb weiter steigen, auch wenn wir künftige Skaleneffekte und Innovationen bei Baustoffen einrechnen. Umweltschutz und eine hohe städtebauliche Qualität gibt es nicht umsonst. „Wir bewegen uns bei der Frage nach Ökologie und Bezahlbarkeit in einem Spannungsfeld. Um dies zu lösen, sollten Immobilienwirtschaft und Politik zusammenarbeiten. Nur gemeinsam können geeignete Lösungen gefunden werden, um diese beiden großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.“

Nachhaltigkeit braucht mehr Forschung und Entwicklung

Unser menschlicher Erfindergeist ist der Schlüssel zu einer größeren Nachhaltigkeit.

Sand, Kies und andere Baustoffe sind endliche Ressourcen. Auch Bauflächen stehen nicht unbegrenzt zu Verfügung. „Das menschliche Wissen ist hingegen unbegrenzt erweiterbar. Was philosophisch klingt, führt zu einer praktischen Schlussfolgerung: Wenn wir nachhaltiger leben möchten, müssen Bund, Länder, Gemeinden und Wirtschaft in Forschung und Entwicklung investieren“, ist Lickteig überzeugt. Denn nur mit neuen, nachhaltigen Produktionstechniken und Baustoffen sowie effizienten Formen der Energiegewinnung können wir unseren Lebensstandard sichern, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen einzuschränken. „Unser menschlicher Erfindergeist ist der Schlüssel zu einer größeren Nachhaltigkeit.“

BPD Geschäftsführer Franz Josef Lickteig Wir Brauchen Mehr Erfindergeist

BPD wird nachhaltiger

BPD setzt bereits heute Zeichen für mehr Nachhaltigkeit mit Pilotprojekten.

BPD setzt bereits heute Zeichen für mehr Nachhaltigkeit. Mit Pilotprojekten wie Aktiv-Plus-Häusern, die mehr regenerativen Strom erzeugen als verbrauchen, oder umfangreich begrünten Stadtquartieren mit einem hohen Anteil an recycelten Baustoffen, zeigen wir, wie die nachhaltige Zukunft der Immobilienwirtschaft aussehen kann. Gleichzeitig behalten wir die Bezahlbarkeit von Eigenheimen und Mietwohnungen im Blick und schaffen so erschwinglichen Wohnraum für die breite Bevölkerung. „Aber auch wir können und müssen uns verbessern, denn viele Projekte beziehen den Gesamtlebenszyklus eines Gebäudes noch zu wenig ein.“ Die Entwicklung von nachhaltigen und bezahlbaren Projekten, ist deshalb eine der zentralen Aufgaben und die Herausforderung für BPD in den kommenden Jahrzehnten.

Vita

Franz-Josef Lickteig absolvierte sein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und arbeitete dort anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich „Staatliche Allokation und Ökonomie des Wohnens“. Nach verschiedenen Stationen in der Projektentwicklung arbeitet Lickteig seit 2000 für die BPD und hat seit 2007 die Geschäftsführung inne.

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