„Wir betrachten die Welt oft durch einen zu engen Blickwinkel“

BPD-Geschäftsführer Alexander Heinzmann lässt sich von großen Gebietsentwicklungen auf der ganzen Welt inspirieren. Er stellt uns bekannte und unbekannte Projekte in Deutschland und der Welt vor.
  • Datum der Veröffentlichung: 8 Juni 2020
  • Autor: Koen Verhelst | BPD Magazine Nr. 11
BPD Magazin Nr. 11

Die Stadt der Zukunft ist ...

... für ihre Einwohner attraktiv

Obwohl auch manche Menschen aufs Land ziehen, um der Hektik der Stadt zu entfliehen, geht der Trend weltweit betrachtet in Richtung der Städte. Deshalb müssen wir viel breiter denken. Wie können wir die Städte für alle attraktiv gestalten – nicht nur jetzt, sondern auch in ferner Zukunft? Ich habe in einem Artikel gelesen, wie der zunehmende Verkehr mit Pferdekutschen Anfang des 20. Jahrhunderts die Städte aufgrund der herumliegenden Pferdeäpfel vor ein großes Problem stellte. Das Auto war angeblich die Rettung und die Hersteller präsentierten es als saubere Alternative. Heute stehen wir wieder vor einer solchen Herausforderung und müssen uns als Gebietsentwickler die Frage stellen, wie wir ansprechende Quartiere für die Stadt der Zukunft schaffen können. Wie können wir Stadtteile, ausgehend von gründlicher Marktforschung, mit innovativen Konzepten so gestalten, dass sie in 25, 50 oder 100 Jahren noch immer beliebte Viertel sind?

Markthalle in Stuttgart
Markthalle, Stuttgart; Foto: iStock
Meine Top 3 öffentlichen Räume

Markthalle, Stuttgart

Die im Jugendstil errichtete Markthalle – ein architektonischer Höhepunkt meiner Heimatstadt – ist ein Ort, an dem sich das Stadtleben konzentriert. Die Stuttgarter finden hier eine große Auswahl an Verkäufern und internationalen Küchen. Die unterschiedlichsten Kulturen zahlreicher Länder sind hier zum Staunen und Kosten versammelt.

 

La Confluence, Lyon

Dieses ehemalige Hafengebiet südlich des Zentrums von Lyon wurde völlig neu gestaltet. Wenn La Confluence 2025 fertig ist, wird das Zentrum der Stadt fast doppelt so groß sein. Schon jetzt ist es ein Mischgebiet zum Arbeiten, Ausgehen und Wohnen. Das Gebiet beherbergt sehenswerte, hochwertige moderne Architektur wie das Musée des Confluences, den Cube Orange und den Cube Vert. Ich finde es beeindruckend, wie aus einem solchen postindustriellen Gebiet ein lebhaftes Stadtquartier entstehen kann – und vor allem eines mit sehr gefragten Wohnungen in zentraler Lage.

 

Brandenburger Tor, Berlin

Dieser Triumphbogen symbolisiert so viel Geschichte. Als ich letzten November dort war, wurde mir wieder bewusst, dass es eigentlich gar nicht so selbstverständlich ist, dass wir unter dem Tor hindurchlaufen können. Auch der Platz lädt dazu ein, sich an seine Geschichte zu erinnern: ein Symbol der Teilung wie auch der Wiedervereinigung. Ein gutes Beispiel, wie die Umgebung einem historischen Ort mehr Gewicht verleihen kann.

Lieblingsblogs und -podcasts

BUGA Heilbronn
Bundesgartenschaugelände Heilbronn; Foto: iStock
Inspirierende Entwicklungen

Bundesgartenschaugelände, Heilbronn

Meistens wird bei Bundesgartenschauprojekten auch gleich ein städtebauliches Problem behoben. Denn es besteht die Gefahr, dass ein solches Gelände danach ungenutzt bleibt. In Heilbronn wurden gleich Flächen für Wohnungsbau reserviert. Das gesamte Gebiet entlang des Neckars wurde neu gestaltet und so entstand Raum für innovative Wohnkonzepte. Der Auftrag für den Entwickler war klar: Die Wohnungen müssen vor Beginn der Bundesgartenschau fertiggestellt, vermietet und bezogen sein.

 

Bois-Franc, Montreal

Dieser Außenbezirk von Montreal ist innovativer als man auf den ersten Blick meinen könnte. Zugegeben, der Straßenplan ist typisch nordamerikanisch, mit vielen Sackgassen. Andererseits wurde die Dichte doch auch aufgelockert: Man kann sowohl eine Etagenwohnung als auch ein Reihenhaus finden und zwischen den Häusern gibt es viel Wasser und Grün. Das Viertel ist so entworfen, dass der Weg zwischen dem zentralen Platz und dem nahegelegenen Bahnhof einfach und bequem zu laufen ist. Geparkt wird möglichst viel unterirdisch und die verschiedenen Ecken des Viertels sind durch Fußwege miteinander verbunden. Diese fußgängerfreundliche Gestaltung finde ich sehr zukunftsfähig.

Lesefutter

Buch: Design Thinking: Das Handbuch

Wie sorge ich dafür, dass mein Unternehmen von sich aus innovativ ist und sich ständig verbessert? Das ist die zentrale Frage in diesem Buch von Falk Uebernickel, Walter Brenner, Therese Naef, Britta Pukall und Bernhard Schindlholzer. Es regt zum Nachdenken darüber an, wie Manager und Unternehmen Innovationen und Nachhaltigkeit ansteuern können. Ein Klassiker, wie ich finde.

 

Buch: Welt mit Zukunft

Die breite Sichtweise von Franz Josef Radermacher ist essenziell. Projektentwickler betrachten die Welt oft durch einen zu engen Blickwinkel und sehen die Dinge nur aus der deutschen Perspektive. Oder wir konzentrieren uns zu stark auf eine Stadt oder Gemeinde oder ein einzelnes Projekt. Wenn man sein Buch Welt mit Zukunft liest, erkennt man, dass Ökologie und Umweltschutz nicht lokal lösbar sind. Natürlich muss jeder einen Beitrag leisten, aber wir sollten auch daran denken, dass eine Förderung für eine bessere Dämmung hier vielleicht zu weniger Energieeinsparung führt als bei einem wegweisenden Projekt anderswo. Wie hoch ist der Mehrwert bei einem sowieso schon sehr sparsamen deutschen Haus? Von diesem globalen Denken sind wir noch weit entfernt.

Beste Gebietsentwicklung

Leipzig

Es ist dem Stadtrat gelungen, wirtschaftliche Stabilität zu erreichen, ohne dass die historische Innenstadt hierunter gelitten hat. Die Stadt ist heute ein gutes Beispiel für ein Gleichgewicht zwischen Geschichte und zeitgenössischem Bauen. Das Geheimnis dahinter ist zum einen eine klare Vision einer Stadtentwicklung pro Sektor – wie zum Beispiel Wohnen, Kultur und nachhaltige Mobilität. Durch ständige Evaluierung wird die Vision weiter verfeinert. Und zum anderen profitiert Leipzig von den strengeren Vorschriften für Ausschreibungen: Ein Bauvorhaben wird nur dann genehmigt oder gefördert, wenn es den Zielen der Stadt als Ganzes entspricht.

Bosco Verticale, Mailand
Bosco Verticale, Mailand; Foto: iStock
Beste Innovation

Die bewaldeten Türme des Bosco Verticale in Mailand sind ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie effektiv und zugleich grün in einer Stadt gebaut werden kann. In diesem einen Projekt steckt so viel Innovation! Die Höhe, die Grünflächen, die ausgesprochene Urbanität. Es wird in zu wenigen Städten über intelligente Hochhauslösungen nachgedacht.