Von den Nachbarn lernen

Die Niederlande und Deutschland sind sich in vielerlei Hinsicht ähnlich. Aber wenn es um die Gebietsentwicklung geht, sind die Unterschiede groß. Han Joosten von BPD, der über Erfahrungen aus erster Hand verfügt, sieht darin einen Grund mehr, sich öfter auszutauschen und voneinander zu lernen.
  • Datum der Veröffentlichung: 11 April 2024
  • Autor: Rutger Vahl | BPD Magazin Nr. 19
  • Verwandte Seite: Ganzheitliche Konzepte
BPD Magazin Nr. 19

Die Niederlande kennen eine lange Tradition der Raumplanung und damit der Entwicklung großer Gebiete, also der Gebietsentwicklung. In Deutschland ist das Wort „Gebietsentwicklung“ unüblich, hier wird eher von „Projektentwicklung“ gesprochen. Neubauvorhaben werden als Projekt angegangen, wobei die Kommune alle Fäden in der Hand hat. Während ein Projekt in den Niederlanden meistens die Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft hat, ergreift in Deutschland in der Regel die örtliche Verwaltung die Initiative und die Kommune legt die zu bauenden Wohnungstypen genau fest. Der Vorteil ist, dass Projektentwickler so viel Klarheit haben. Während sich in den Niederlanden auch dann noch vieles ändern kann, wenn der Umgebungsplan bereits feststeht, wissen Entwickler in Deutschland genau, woran sie sind.

BPD MAG19 Kolumne Han Joosten
Fotos: Janita Sassen
Unflexibel vs. pragmatisch

Deutsche Bebauungspläne sind sehr detailliert und nicht flexibel; es wird mitunter zu wenig von den Fähigkeiten der Marktakteure ausgegangen. Das kann zu einer Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage führen. Manchmal scheitern deshalb Bauprojekte, weil die Entwickler vor den nicht marktkonformen Anforderungen zurückschrecken. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass in Deutschland derzeit nur fast die Hälfte des jährlichen Baubedarfs (von 400.000 Wohnungen) realisiert wird. Die Niederlande sind ein pragmatisches Land, was sich auch in der Gebietsentwicklung zeigt. Entwickler suchen von vornherein den Kontakt zum zuständigen Beigeordneten oder dem Leiter der Raumplanung einer Stadt oder Gemeinde und versuchen dann Nägel mit Köpfen zu machen. In Deutschland ist es komplizierter: Es gibt viele Verwaltungsebenen mit eigenen Interessen und eine stärker zergliederte öffentliche Verwaltung. Dadurch kommen Projekte nur langsam voran.

Ich denke, es ist die Aufgabe der großen Marktakteure, auch von BPD, in Wort und Tat zu beweisen, dass es auch anders geht.

Wort und Tat

Diese Zurückhaltung der Verwaltungsstellen in Deutschland ist durchaus verständlich. Manchmal haben die Kommunen schlechte Erfahrungen mit unzuverlässigen oder inkompetenten Projektentwicklern gemacht – es gibt viele kleine Unternehmen in der Branche – und deshalb behalten sie gerne selbst die Fäden in der Hand. Ich denke, es ist die Aufgabe der großen Marktakteure, auch von BPD, in Wort und Tat zu beweisen, dass es auch anders geht. Zum Glück gelingt das auch in immer mehr Fällen. In Gesprächen zeigen wir an Beispielen, was ein ganzheitlicher Ansatz – wobei nicht vom Projekt, sondern vom Gebiet her gedacht wird und alle Interessen einbezogen werden – bringen kann. In der Praxis bedeutet das, viel zu reden und Erfahrungen auszutauschen. Und das funktioniert. In Kiel und Weimar zum Beispiel haben BPD und die Stadt wirklich zueinander gefunden und es ist ein gutes Vertrauensverhältnis entstanden. Umgekehrt können niederländische Entwickler von dem profitieren, was in Deutschland üblich ist.

Das Beste aus beiden Welten

In den Niederlanden wird manchmal sehr lange nach einem Kompromiss für unterschiedliche Visionen und Positionen gesucht. Die Beteiligten setzen sich zusammen und reden miteinander, ohne dass auch nur eine Zahl festgelegt wird. In Deutschland gibt die Gemeinde einen Bebauungsplan mit allen Anforderungen vor. Bei veränderten Marktbedingungen, wie aktuell in Deutschland der Fall, führt diese Inflexibilität zum Verhängnis. Die Herausforderung besteht darin, beide Welten miteinander zu verbinden: die Erarbeitung einer klaren Vision mit
einem geeigneten Mix von Wohnformen, die von den Zielgruppen ausgeht. Das sollte in enger Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung geschehen. Idealerweise würde dies auch zu einer schnelleren Umsetzung in einen flexiblen Bebauungsplan führen, mit dem es möglich würde, auf die sich rasch ändernden Bedürfnisse der Bevölkerung zu reagieren. Bezahlbares und nachhaltiges Wohnen kann einfach nicht 15 Jahre auf endlose Diskussionen und detaillierte rechtliche Planungen warten.

Han Joosten

kam 1995 zu BPD, zunächst als Business Developer und Niederlassungsleiter in Deutschland, dann als Leiter der Forschungsabteilung in den Niederlanden. Seit 2019 leitet er die Abteilung Gebietsentwicklung (bis 2023 auch die Marktforschung) bei BPD in Deutschland.

BPD Han Joosten (1)
Han Joosten
Leiter Gebietsentwicklung
Mail Han Joosten

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